Samir (*Name geändert) schließt die Fahrertür seines Lastwagens ab und nutzt die Sonne über Rheindahlen um sich die Beine im Gewerbegebiet zu vertreten. 15 Stunden hat der Familienvater aus Aserbaidschan am Steuer seines Lastwagens gesessen. Seine Route führt ihn quer durch Westeuropa – Deutschland, Belgien, Niederlande, Frankreich. Den Namen seiner Spedition kennt keiner – sie ist in Litauen registriert. Umso bekannter ist der wichtigste und oft einzige Auftraggeber: Amazon. Während der Versandhändler seine Milliarden-Umsätze immer weiter steigert ist der Blick auf Samirs Gehaltsabrechnung ernüchternd: Sein Stundenlohn liegt unter 4 Euro. Ein klarer Verstoß gegen das Deutsche Mindestlohngesetz. Deshalb hat das Bündnis „Fair fahren Mönchengladbach“ eine Aktion vor dem Amazon-Gelände in Rheindahlen gestartet.
Die Beraterinnen und Berater des Netzwerks, dem die Beratungsstelle Arbeit, Gewerkschaften und Beratungsnetzwerke angehören, sprachen die LKW-Fahrer an, die vor dem Amazon-Gelände auf das Entladen ihrer Fahrzeuge warteten. Dabei ging es um die Arbeitsbedingungen der Fahrer und die Aufklärung über deren Rechte z.B. beim Thema „Mindestlohn“. Mit dabei war auch der Mönchengladbacher Landtagsabgeordnete Jochen Klenner, der Mitglied im Arbeits- und Sozialausschuss des Landtags ist: „Die persönlichen Erlebnisse und Schilderungen haben mich bewegt. Vielen Fahrern sind ihre Rechte unbekannt gewesen. Andere machten deutlich unter welchem Druck sie sich befinden, auch schlechte Arbeitsbedingungen zu dulden, um ihre Familien weiter ernähren zu können“, fasst Klenner seine Eindrücke zusammen. Deshalb dankte er den Beratungskräften, die mit mehrsprachigen Infoflugblättern und Dolmetschern die Gespräche mit den Fahrern suchten. „Wir wollen aufklären und in einem zweiten Schritt die Fahrer dazu bewegen, ihre Arbeitszeiten persönlich zu dokumentieren. Auch wenn manchen vielleicht im Moment noch der Mut fehlt, hilft das, wenn sie später ihre Ansprüche noch geltend machen können“, meint Karl Sasserath von der Beratungsstelle Arbeit, die für das „Bündnis Fair Fahren“ in Mönchengladbach den Aktionstag mitorganisiert hatte.
„Die Fahrer kamen fast ausschließlich aus Russland, der Ukraine und aus dem Baltikum – obwohl sie für ihre Fahrten wochenlang in Deutschland und den EU-Nachbarländern eingesetzt werden. Alle gaben an nahezu ausschließlich für Amazon-Fahrten unterwegs zu sein“, berichtet Klenner von den Gesprächen. „In Mönchengladbach haben wir bereits mit der örtlichen Politik deutlich gemacht, dass wir menschenwürdige und angemessene Parkmöglichkeiten mit Duschen und Toiletten für die Fahrer fordern – hier hat es Bewegung gegeben. Amazon muss aber auch auf seine Lieferanten einwirken, sich an den deutschen Mindestlohn zu halten“, fordert Klenner.
Das Land unterstütze den Kampf gegen ausbeuterische Beschäftigung indem es die neuen „Beratungsstellen Arbeit“ finanziell fördere. In Mönchengladbach hat das Arbeitslosenzentrum diese neue Aufgabe mit übernommen: „Der Vor-Ort-Besuch hat gezeigt, dass die Beratungsstelle Arbeit genau richtig liegt, in dem sie einen Schwerpunkt im Bereich Logistik für ihre Arbeit ausgemacht hat. Es ist gut, wenn hier weiter aufgeklärt wird. Aber: wir reden dabei auch über klare Verstöße, die der Arbeitsschutz und der Zoll regelmäßig durch Kontrollen unterbinden sollten“, so Klenner.
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